Geschichte der Turmuhr
Seit August 1920 zeigt eine Turmuhr der damaligen Turmuhrenfabrik und Glockengießerei J. F. Weule (1826- 1953) aus Bockenem am Harz uns hier im Dorf zuverlässig Stunden und Minuten an.
Weule- Uhren liefen und laufen in Russland ebenso wie in den USA, in Südamerika oder Südafrika. Sie zeichnen sich durch wenig Verschleiß und hohe Reparaturfreudigkeit aus.
Durch ihre Qualitätsarbeit hatte die Fa. Weule einen internationalen Standard geschaffen. Für manche Modelle wurde bis zu 20 Jahren Garantie, für einen "vollkommenen, guten und geregelten Gang der Uhr", gewährt. Viele der Weule- Uhren sind, wie die Bührener Uhr, noch heute in Betrieb.
Die Bührener Turmuhr ist also, wie alle Uhren von Weule, sehr robust und für die Ewigkeit gebaut. Beim näheren Hinsehen wird einem erst bewusst, dass diese Turmuhren kleine Wunderwerke, mit für den Laien verwirrende Technik, sind. Vielleicht war diese Qualität mit Schuld am Bankrott des Unternehmens.
Am 18. März 1953 meldete die Fa. Weule Konkurs an.
Heute informiert das Turmuhrenmuseum der Stadt Bockenem sehr anschaulich über Geschichte und Entwicklung der Firma und der Familie Weule.
Die J. F. Weule-Turmuhr in Bühren
Die Firma Weule schickte vermutlich einen Mitarbeiter nach Bühren, um sich über die Bedingungen zu informieren, unter denen die Uhr funktionieren sollte.
Bekannt ist:
Am 30. Sept. 1919 wurde die Genehmigung zum Kauf einer neuen Turmuhr bei der Uhr Fa. Weule in Bockenem erteilt.
Der Preis von 3303,00 Mark beinhaltete Lieferung und Aufstellung einer neuen Uhr nebst Porto.
Dazu kamen weiter Kosten wie:
Porto und Fracht bis zum Bahnhof Dransfeld und von dort bis nach Bühren,
Tischler- und Maurerarbeiten von 832,00 Mark,
sodass die Uhr 4135,00 Mark kostete.
Zum Vergleich würde die Uhr heute rund 6600,00 Euro kosten.
Im August 1920 wurde die Turmuhr durch den Mechaniker Knolle im Turm aufgestellt und montiert.
Der Standort:
Über vier steile Stiegen und knarrende Holzdielen gelangt man auf die vierte Ebene im Turm. Sofort fällt der alte Holzschrank, (Bauernschrank) in dem sich die Uhr befindet, ins Auge. Auch hört man sofort das typische Ticken der Uhr.
Öffnet man die beiden Türen des Schrankes, sieht man auf das wuchtige, massive Räderwerk der Uhr. Der umgebene, massive Metallrahmen trägt die Aufschrift:
"J. F. Weule Bockenem 1920".
Die weiterführende Mechanik vom Uhrwerk bis an die Zeiger und zu den Glocken kann beim Besichtigen der nächsten Etage, dem Glockenstuhl, nachvollzogen werden.
Konstruktionsmerkmale der Uhr:
Das Geh- und das Schlagwerk werden noch immer mit einer Handkurbel aufgezogen und laufen dadurch rund eine Woche.
Beide Werke bilden eine Einheit, die aus starkem Gusseisen besteht.
Die Zahnräder sind aus Bronze, die Wellen aus Schmiedeeisen gefertigt.
Auffällig sind zwei Walzen mit Stahlseilen. Die Stahlseile laufen jeweils über Umlenkrollen in der Glockenstube. Am Ende der Stahlseile hängen im Turm die Gewichte, die durch ihre Schwerkraft für den Antrieb des Geh- bzw. des Schlagwerks sorgen.
Der Mechanismus der Turmuhr beruht im Wesentlichen auf zwei Werken.
Das Gehwerk (bei der Bührener Uhr rechts) gibt vor, wie schnell sich die Zeiger auf den Zifferblättern bewegen.
Das benachbarte Schlagwerk ist so eingestellt, dass es regelmäßig jeweils zur halben und zur vollen Stunde den Schlag für den Glockenhammer auslöst.
Bei unserer Uhr wird also die Glocke täglich 180 und im Laufe eines Jahres 65.700 mal angeschlagen.
Mit dem Gehwerk verbunden ist auch die so genannte Gebetsglocke, die dreimal am Tag zum Einsatz kommt, und zwar um acht, elf und um achtzehn Uhr. Das Läuten erfolgt durch einen Elektromotor. Der Schalter für den Motor wird durch die Zeigerwelle gesteuert.
Das Herzstück des Gehwerks ist die Ankerhemmung.
Die Pendellinse ist ca.17 kg schwer und besteht aus Gusseisen. Das Pendel ist aus in Leinöl getränktem Holz gefertigt.
Über die senkrechte Zeigerwelle, die zur nächsten Etage führt, verteilen im Glockenstuhl Kreuz- und Winkelgetriebe die 'Zeitinformation' auf die zwei Zeigerpaare.
Das Schlagwerk schlägt die halben und vollen Stunden und wird über die sogenannte Schlossscheibe gesteuert.
Die Uhr selbst wiegt ca. 500 kg.
Mit seinen Zahnrädern, Hebeln, Winkeln und Seilzügen ist unser Uhrwerk in der Zeit von Digital- und Funkuhren ein Stück Technikgeschichte.
Die Turmuhr ist in guten Händen
Seit dem 1.12.1992 steigen einmal in der Woche Kerstin oder Manfred Heuer auf den Turm, um Geh- und Schlagwerk von Hand aufzuziehen. Das Amt haben sie von Heinrich Schucht (Rollbachwerg 5) übernommen.
Dabei müssen sie kräftig, aber dennoch gefühlvoll die Kurbel drehen, um die Stahlseile, an denen die schweren Gewichte hängen, auf die jeweilige Walze aufzuwickeln. Dadurch werden die Gewichte im Turm wieder bis in die Glockenstube hochgezogen. Für das Gehwerk müssen sie ca.165 und für das Schlagwerk ca. 80 Kurbelumdrehungen machen.
Das Antriebsgewicht für das Schlagwerk wiegt rund 175 kg und das für das Gehwerk ca.100 kg.
Natürlich benötigt das Uhrwerk auch Pflege. Es muss in Abständen gesäubert und geölt werden, damit es seine Präzision beibehält.
Seit 2009 kommt einmal jährlich die Fa. „Glocken und Turmuhren Christian Beck“ aus Kölleda in Thüringen, um Wartungs- und Pflegearbeiten durchzuführen.
Laut Aussage des Firmeninhabers Christian Beck wird bei guter Pflege das Uhrwerk weitere 100 Jahre in unserem Dorf die Zeit weisen.
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